Zwei Beispiele für die Vernetzung von Neuerer Deutscher Literaturwissenschaft, Deutscher Sprachwissenschaft und Didaktik der deutschen Sprache und Literatur
Neben dem immer wieder auftretenden Ruf nach dem Praxisbezug, der häufig von Studierenden vorgebracht wird – wie auch immer man dazu genau stehen mag – taucht mittlerweile auch gelegentlich der Wunsch nach Themenorientierung in der Studierendenschaft auf. Ich persönlich halte diese Tendenz für richtig und wichtig. Der Grund dafür ist einfach: Wenn wir unser Schulsystem auf eine Kompetenzorientierung ausrichten wollen, dann benötigen wir auch kompetente Lehrkräfte, die in der Lage sind, einen Gegenstand in seiner Gänze zu erfassen, mit all seinen Facetten und Anknüpfungspunkten.
Generell müsste das Lehramtsstudium viel praxisbezogener und themenorientierter für die jeweilige Schulform gestaltet werden
Maren Jensen – Spiegel online
Wenn die universitäre Ausbildung den Lehramtsstudierenden jedoch eine gewaltsame Teilung zum Beispiel der deutschen Sprache in unterschiedliche Disziplinen vorlebt, dann wird eine Entwicklung hin zu einer solchen Art von Lehrkraft ungemein schwerer. Natürlich ist es sinnvoll, dass sich im wissenschaftlichen Kontext Fächergrenzen zum Beispiel auch innerhalb der Germanistik etabliert haben, weil die Wissensbestände heutzutage so groß geworden sind, dass Universalgelehrsamkeit – zumindest in meinen Augen – heute nicht mehr möglich ist.Dennoch erscheint es notwendig, ab und an über den Rand der eigenen Fachdisziplin hinauszusehen und einen Gegenstand gemeinsam mit anderen Fachwissenschaften zu untersuchen, um ihn besser zu verstehen.
Im Zuge unserer Seminarreihe haben meine Kolleginnen Mirjam Dick (Didaktik der deutschen Sprache und Literatur), Romina Seefried (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft)/Sarah Beyvers (Neuere Deutsche Literaturwissenschaft; in Vertretung) und ich (Deutsche Sprachwissenschaft) versucht, einen Beitrag dazu zu leisten, eben diese Einstellung vorzuleben. Dabei haben wir uns in den verschiedenen Durchgängen des Seminars jeweils auf einen Gegenstand aus den Themenbereichen ‘Sprachbewusstheit’ und ‘Sprachspiel’ beschränkt, den es von allen Seiten zu beleuchten galt. Schlussendlich wird genau das ja auch von angehenden Lehrkräften erwartet: Einen Gegenstand einer wissenschaftlich korrekten Sachanalyse zu unterziehen und im Anschluss zielgruppengerecht didaktisch zu wenden.
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Was ist die Seminardokumentation?
Im Rahmen des Projektes SKILL (Strategien zur Kompetenzentwicklung: Innovative Lehr- und Beratungskonzepte in der Lehrerbildung) wurden zahlreiche innovative interdisziplinäre Seminarmodelle entwickelt. Gemeinsames Ziel war es, eine stärkere Vernetzung von Fachwissenschaften, Fachdidaktiken und Bildungswissenschaft zu erproben und tragbare Konzepte für die universitäre Lehrerinnen- und Lehrerbildung zu entwickeln.
Die Dokumentation dieser Modellseminare soll dazu beitragen, diese sichtbar zu machen und somit für andere Hochschullehrende Unterstützung und Inspiration bei der Entwicklung vernetzter Lehre zu sein. Dabei ist den Entwickelnden wichtig, sowohl Kategorien der Organisation – im Sinne eines „Wie könnte es gehen?“ – anzubieten als auch „Lessons learned“ als Reflexions- und/oder Weiterentwicklungsmöglichkeit bereitzustellen.
Die Seminardokumentationen sind nach den Lehrprojekten aus den Bereichen Germanistik, Information and Media Literacy, Kunst Musik Sport und Mathematik sortiert. Inhaltlich gliedern sie sich in drei Teile: a) Modellseminar im Überblick, b) Abstract & Schlagworte und c) das ausformulierte Seminarkonzept anhand von zentralen Kategorien.
Wir wünschen eine inspirierende Lektüre und freuen uns, wenn die Seminarmodelle ganz oder in Teilen für Ihre Hochschullehre nutzbar gemacht werden können!
In der ersten Variante des Seminars haben wir mit verschiedenen Lerntheken gearbeitet, die sich auf der Grundlage des Buches Die dampfenden Hälse der Pferde im Turm von Babel von Franz Fühmann mit Sprachspielen als Instrument zum Ausbau von Sprachbewusstheit beschäftigten. Die einzelnen Theken beinhalteten Aufgaben aller drei Fachbereiche zu den folgenden Oberbegriffen: Orte des Sprachspiels, Kategorien des Sprachspiels und Theorie des Sprachspiels.
Als Gegenentwurf zu dieser stark an den Lerntheken orientieren Veranstaltung haben wir in der zweiten Variante des Seminars eine Projektstruktur zu Grunde gelegt. Nach einer durch E-Learning-Angebote erweiterten Theoriephase zu den Aspekten ‘Sprachspiel’ und ‘Sprachbewusstheit’ aus allen drei Fachperspektive arbeiteten die Studierenden in Kleingruppen an einem Konzept für den Besuch einer vierten Klasse an der Universität. Dabei hatten die Gruppen die Aufgabe, einen Aspekt des Sprachspiels anhand des Bilderbuches Wazn Teez? von Carlson Ellis zu identifizieren, zu analysieren und schließlich didaktisch so zu wenden, dass sie ihn den Schülerinnen und Schülern innerhalb von drei Zeitstunden vermitteln konnten. Als weitere Herausforderung musste innerhalb dieser Zeit mit den Schülerinnen und Schülern zusätzlich ein Stop-Motion-Film zu dem jeweils bearbeiteten Aspekt aufgenommen werden.
Beide Varianten haben gut funktioniert und sind bei den Studierenden gut aufgenommen worden, auch wenn der Arbeitsaufwand für sie höher war als in den meisten anderen Veranstaltungen. In beiden Fällen konnten wir bei einem Großteil der Teilnehmenden erreichen, dass sie die drei Disziplinen nicht mehr als abgekapselte Systeme verstanden haben, sondern als miteinander verflochtene, sich gegenseitig ergänzende.
Oben aufgeführte Seminarmodelle wurden dokumentiert und sind anbei für Sie einsehbar.
Mirjam Dick arbeitet als Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Projekt SKILL.de. Forschungsschwerpunkte sind: Higher Education Forschung, insbesondere in den Bereichen Vernetztes Lernen und Interdisziplinarität; Literarische Kompetenz und Intermedialität im Deutschunterricht.
Anmerkung: Dieser Artikel wurde von Sven Stephan verfasst. Aus organisatorischen Gründen wurde er von Mirjam Dick veröffentlicht. Die Rechte und Verantwortlichkeiten für den Inhalt des Artikels liegen beim Autor.