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Potentiale der Vernetzung von Deutscher Sprachwissenschaft und Didaktik in der Lehrerbildung

„Ich weiß nicht, für was ich das später brauchen soll.“ Diese und ähnliche Aussagen hat bestimmt jede/r Dozierende in fachwissenschaftlichen Lehrveranstaltungen mindestens einmal von Studierenden gehört. Fachwissenschaftliche Inhalte sind unabdingbar im Lehramtsstudium, um auf ihrer Basis didaktische Maßnahmen passgenau einsetzen zu können. Leider besteht zwischen diesen beiden Bereichen durch aufeinander nicht abgestimmte Module im Studienplan eine Verknüpfungslücke, die die Studierenden selbst nicht schließen können.

De-Fragmentierung ist neben der De-Marginalisierung und der De-Segmentierung eines der drei übergeordneten Ziele des Projektes SKILL: Die starre Trennung zwischen fachwissenschaftlichen, fachdidaktischen und bildungswissenschaftlichen Studienanteilen kann durch eine stärkere Vernetzung dieser Disziplinen in inter- und transdisziplinären, innovativen Lehr-Lern-Konzepten aufgelöst werden. Möglich ist dies u.a. durch Seminare, in denen beispielsweise trotz des fachwissenschaftlichen Fokus auf einen stärkeren Anwendungsbezug bzw. auf die didaktische Perspektive eingegangen wird. Dies bedeutet, dass entweder ein/e Dozierende beide Rollen – sowohl die der Fachwissenschaft als auch die der Fachdidaktik – einnimmt (vgl. dazu auch den Blogbeitrag von Romina Seefried) oder ein Seminar in Form von Team-Teaching durchführt, in dem jeweils ein/e Vertreter/in der beteiligten Disziplinen anwesend ist, durchgeführt wird.

Um einen Versuch zu unternehmen, die Verknüpfung im Fach Deutsch zu leisten, habe ich als Sprachwissenschaftlerin zusammen mit meiner Kollegin Mirjam Dick (Didaktik der deutschen Sprache und Literatur), ein Seminar zum Thema Sprachlicher Fehler konzipiert. Da bei Teamteaching-Formaten die Herausforderung u.a. darin besteht, beide Disziplinen gewinnbringend in eine Lehrveranstaltung einzubringen, haben wir uns dazu entschlossen, das recht weite Feld des sprachlichen Fehlers einzugrenzen und uns speziell den Bereich des orthographischen Fehlers – der ja sowohl in der Linguistik als auch der Orthographiedidaktik eine prominente Stellung hat – vorzunehmen. Bereits im Seminartitel Orthographie verstehen – Fehler anders sehen: Bausteine für den Rechtschreibunterricht spiegelt sich unsere Haltung diesem Thema gegenüber wider: Zum einen sollen Fehler eher als Lernanlass gesehen werden, was wiederum eine veränderte Sicht auf Fehlererkennung, -beschreibung und -bewertung allgemein und ein vertieftes und reflektiertes Verständnis auf die Orthographie der deutschen Sprache mit ihrer Verbindung zur Grammatik im Speziellen voraussetzt. Zum anderen ist es von Bedeutung, nicht nur fachwissenschaftlich und -didaktisch sowohl eine andere Sicht auf Fehler zu bekommen als auch die theoretische Basis zu stärken, sondern auch, als weiteren Schritt, einen Ausblick auf praktische Anwendungsmöglichkeiten zu bieten. Hier sollte es nicht bei einem reinen Ausblick bleiben, vielmehr war es uns wichtig, einen Ort zu schaffen, an dem sich die Studierenden ausprobieren können. Der Erfolg der angestrebten Verknüpfung wird nämlich an eben dieser Schnittstelle, wo sie Kompetenz zeigen müssen, ersichtlich.

Generell ist die Planung und Konzeption eines Teamteaching-Formats für eine Fachwissenschaftlerin, die es gewöhnt ist, Lehre alleine zu konzipieren und zu halten, nicht einfach: Das Thema ist schnell gefunden, die gemeinsame ‘Linie’ ebenso – sind doch die Sichtweisen der Deutschen Sprachwissenschaft und Sprachdidaktik auf sprachliche Fehler nicht sehr verschieden. Allerdings bedeutet gemeinsame Lehre auch gemeinsame, voneinander abhängige Planung. In den sonst durchgeführten Solo-Seminaren hat man Raum für die Vertiefung der eigenen Inhalte, für ein größeres Spektrum an Themenfeldern usw. – man hat, so der Eindruck, insgesamt einfach mehr Zeit für mehr Stoff. Zudem ist man doch flexibler und unabhängiger in der Planung eines Solo-Seminars. Im Zweierteam muss man sich verstärkt Gedanken darüber machen, welche Aspekte, Inhalte, Diskussionen etc. verzichtbar, welche unabdingbar sind und wie sie aufeinander abzustimmen sind. Damit verbunden sind die gemeinsamen Kompetenzziele und die Frage, mit welcher Prüfungsform diese am besten kontrolliert werden können (vgl. dazu das Konzept des Constructive Alignment. Nur so kann eine optimale Zeitplanung vorgenommen werden, die im Übrigen gleichzeitig die Art und den Umfang der Beteiligung der Dozentinnen an den einzelnen Seminarteilen vorsieht. Unterm Strich ist eine enge Absprache untereinander nötig, um eine stringente und für alle Beteiligten erfolgreiche Veranstaltung durchführen zu können. Auch bedeutet Team-Teaching nicht, dass sich der Vorbereitungsaufwand im Gesamten halbiert: Nicht nur muss die eigene Fachdisziplin hinsichtlich der Seminarthematik wissenschaftsdidaktisch aufbereitet werden, sondern ein Teamteaching-Format verlangt auch, die Schnittstellen zwischen den Disziplinen genau zu kennen und diese durch entsprechende Angebote für die Weiterarbeit nutzbar zu machen. Um auch spontan auf unerwartete Fragen und Diskussionen reagieren zu können, bedarf es zudem einer hohen Adaptivität und Flexibilität der Lehrpersonen.

Wie definiert sich aber für uns nun in diesem Kontext der Erfolg unseres Seminars? Unser Ziel war, die eingangs erläuterte Verknüpfung zwischen Fachwissenschaft und Fachdidaktik zu schaffen, indem die Studierenden dazu befähigt werden, schriftsprachliche (orthographische) Fehler in Schülertexten zu erkennen, zu beschreiben, sowohl linguistisch als auch didaktisch einzuordnen sowie linguistisch und didaktisch fundierte Maßnahmen zur Förderung in ausgewählten Fehlerschwerpunkten zu entwickeln und zu reflektieren.

Wie können wir schließlich feststellen, dass die SeminarteilnehmerInnen diese Verknüpfungsleistung geschafft haben? Wie können wir das Erreichen unseres Ziels kontrollieren? Dafür hat sich folgendes Konzept als zielführend herausgestellt: Durch das Seminar waren die Studierenden theoretisch in der Lage, die oben beschriebene Leistung zu erbringen. Kleinere praktische Anwendungsphasen waren bereits im Laufe des Seminars eingeplant. Zum Seminarabschluss hatten die Studierenden nun die Möglichkeit, eine ganzheitliche Analyse auf Grundlage eines realen Schülertextes durchzuführen und ihre Resultate im Rahmen eines Workshops dem Plenum zu präsentierten. Weiter soll ein schriftliches Portfolio die wissenschaftliche Fundierung gewährleisten.

Sie sind ebenfalls FachwissenschaftlerIn? Spielen Sie mit dem Gedanken, ein Teamteaching Format auszuprobieren? Geben Sie es ruhig zu: Auf den ersten Blick erscheint dies alles als sehr aufwendig, vielleicht sogar als nicht lohnend, wenn man an all die anderen (Lehr-)Verpflichtungen denkt, die man noch erfüllen muss. Ich empfehle Ihnen: Lassen Sie sich nicht von den oben erwähnten Arbeitsschritten bezüglich der Vorbereitung und Konzeption abschrecken! Es ist wahr, dass zuerst Zeit in gemeinsame Absprachen und Planungen investiert werden muss. Man muss sich mit dem Gedanken anfreunden, dass die Arbeitszeit im Team eben nicht halbiert wird – manche sagen, sie wird sogar verdoppelt. Das kann ich so nicht bestätigen, denn die investierte Zeit war eine gehaltvolle Zeit, die mich in meiner Lehre und Wissenschaftlichkeit weitergebracht hat. Ein großes Potential sehe ich auch darin, spontan und bei Bedarf die andere Disziplin zu unterstützen, indem Fragen im Seminar ad hoc und in der sie betreffenden Situation beantwortet werden können; somit wird für die Studierenden die Relevanz der Inhalte ersichtlich. Sie haben in diesen Seminaren die Möglichkeit, Wissen und Fertigkeiten aus beiden Fachbereichen zu verknüpfen und anwendungsorientiert Fördermaterialien zu erarbeiten, was zusätzlich zu ihrer Motivation beiträgt.

Zu guter Letzt fängt man – so erging es zumindest mir – nach dem ersten Teamteaching-Seminar – spätestens aber nach dem dritten – an, die eigene, rein fachwissenschaftliche Lehre zu reflektieren: Wenn man Seminare für Lehramtsstudierende plant und durchführt, ist es nicht nur wichtig, darüber nachzudenken, was beispielsweise an grammatischem Wissen nötig ist, um die Orthographie des deutschen Sprachsystems zu verstehen, sondern auch, welches Wissen und welche Fertigkeiten sie benötigen, um kompetent sprachdidaktische Maßnahmen entwickeln und reflektieren zu können. Das Bewusstsein über diese ‘Wendepunkte’ ist auch in Solo-Seminaren von Bedeutung, die keinen direkten Anschluss an ein Seminar der jeweils anderen Disziplin haben. Aus der Erfahrung mit den Teamteaching-Seminaren heraus habe ich begonnen, die eigene Solo-Lehre nicht nur zu reflektieren, sondern ich habe konkrete Impulse mitgenommen, die mir dabei helfen, diese zu verändern, zu verbessern und letztendlich auch die rein fachwissenschaftlichen Seminare ‘de-fragmentierter’ zu machen.