DiLab-Blog - Raum für Lehrinnovation > DiLab > Wie gelingt der Wissenstransfer aus zeitlich begrenzten Drittmittelprojekten?

Wie gelingt der Wissenstransfer aus zeitlich begrenzten Drittmittelprojekten?

Ein Beispiel aus der Deutschdidaktik

„Wenn das Projekt vorbei ist und Ihre Stellen wegfallen, wird niemand da sein, um die entwickelten Lehrkonzepte weiterzuführen.“ Aussagen wie diese begleiten uns Mitarbeitende des Drittmittelprojektes SKILL.de seit Jahren, mal offen geäußert, mal angedeutet. Die Problematik, die dahinter liegt, ist, dass zwar vielfältige Förderprogramme, wie auch die Qualitätsoffensive Lehrerbildung (QLB), Lehrqualität diskutieren, verbessern und innovative Formate erproben, dass aber das Personal nur befristet beschäftigt ist und viel von dem gewonnenen „Erfahrungswissen verloren geht, wenn die Projekte enden und die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufgrund fehlender Karrierewege ausscheiden“ (Wissenschaftsrat, 2017, S. 25).

In dem Bemühen um eine nachhaltige Implementierung, auch ohne personelle Ressourcen, werden Ergebnisse, etwa in Form von Open Educational Resources (OER) oder klassischen Publikationen, aus dem Projekt heraus entwickelt und langfristig zur Verfügung gestellt. Dennoch kann diskutiert werden, inwiefern projektexterne Nutzende die verstetigten Ergebnisse in ihren Eigenschaften durchdringen und (selbst-)reflexiv anwenden, was als eine Eigenschaft einer nachhaltigen Implementierung genannt wird: „Eine tief gehende Implementation verändert auch Beliefs und Handlungsmuster der Nutzer, während oberflächliche Implementationen sich auf Aspekte wie Materialeinsatz oder Unterrichtsorganisation beschränken“, konstatieren Winkler, Gröschner, May und Kleinespel (2018, S. 9). Verwiesen wird diesbezüglich darauf, dass „die Verbreitung oder Weitergabe des Transferierten“ (Gräsel, 2010, S. 8) in unterschiedlicher Tiefe geschehen kann und Innovation erst dann „nützlich“ (Buck & Buck, 2014, Abschnitt 3) wird, wenn sie von den Anwendenden zu einem persönlichen Anliegen (i.S.v. „ownership“; Gräsel, 2010, S. 10) gemacht wird. (Vgl. auch Dick, i.V.) Es stellt sich also die Frage, ob eine Weitergabe des Transferierten so gelingen kann, dass die zukünftigen Nutzerinnen und Nutzer ein persönliches Anliegen darin sehen.

Das deutschdidaktische Fokusthema in SKILL.de war die Auseinandersetzung mit einem medienintegrativen Literaturunterricht. Schwerpunktmäßig wurde mit Konzepten wie Medienverbunddidaktik, Intermedialer Lektüre, multimodal literacy und digital literacy gearbeitet (vgl. Dick, 2021). Mit dem Ziel vor Augen, zentrale Projektergebnisse für andere Lehrende der Deutschdidaktik nicht nur zugänglich zu machen, sondern jene im Sinne von Gräsel (2010) zu ‚ownern‘ (also Inhabern, Eigentümern) zu machen, wurde ein mehrstufiges Verfahren durchgeführt, dass die folgende interaktive Grafik verdeutlicht.

Thematischer Kern des entwickelten Transfermoduls – bestehend aus einem digitalen und interaktiven Selbstlernmodul für Studierende sowie hochschuldidaktische Handreichungen und Materialien für Dozierende –  ist das Thema ‚Medienverbunddidaktik‘, welches in einem Literaturunterricht den Fokus auf die intermedialen Bezüge in kinder- und jugendliterarischen Medienverbünden lenkt.

Christian Kuhls (Lehrstuhl Didaktik der Deutschen Sprache und Literatur), der im Rahmen der durchgeführten Testung des Transfermoduls sowohl hospitierend als auch dozierend mit dem Material agierte, betont:

„Fundamental ist in meinen Augen der motivationale und integrative Charakter medienverbundgestützter Arrangements im Literaturunterricht insofern, dass diese eine breite Anschlussfähigkeit besitzen und damit auch denjenigen Kindern literarästhetische Erfahrungen im Deutschunterricht und damit eine Teilhabe an literarischer Kultur ermöglichen, bei denen die Fähigkeit zum literarischen Lesen nur eingeschränkt oder noch unzureichend ausgeprägt ist.“

Eine Lehrkraft, die medienverbunddidaktische Bausteine in ihrer vierten Klasse ausprobierte, resümiert:

„Ich hoffe, dass sich diese Art des Unterrichts etablieren wird. Es bietet genug Struktur und gleichzeitig ausreichend Raum für Freiheiten, um Literaturunterricht für beide Seiten spannend zu gestalten und zu erleben. (…) Diese ergebnisoffene Herangehensweise hat auch in mir eine positive Spannung erzeugt und ich war von den geistreichen, tiefgründigen und unkonventionellen Beiträgen meiner Kinder positiv überrascht und fasziniert.“ Manuela Heimbeck

Medienverbunddidaktische Konzepte in der deutschdidaktischen Lehre vermehrt anzubieten, scheint daher ein erfolgsversprechender Ansatz, um angehende Lehrkräfte auf einen kognitiv aktivierenden und zeitgemäßen Literaturunterricht vorzubereiten. In der deutschdidaktischen Hochschullehre an der Universität Passau zeigte sich, dass die Arbeit mit dem Thema und den dazugehörigen Methoden, wie etwa dem Intermedialen Lektüregespräch, sowohl für Studierende als auch Dozierende als gewinnbringend wahrgenommen wurde:

„Daneben sprechen auch die positiven Effekte auf das literarische Verstehen für einen Literaturunterricht, der sich neben dem Medium ‚Buch‘ auch auf Film, Serie, Hörspiel, Comic usw. stützt und gerade durch Kombination und zielgerichtetes Arrangement verschiedener medialer Umsetzungen eines literarischen Stoffes neue Sinngebungspotentiale entfaltet. Gerade Letzteres hat mich im Rahmen des an der Universität Passau durchgeführten Seminars besonders begeistert. Die Vielfalt und Tiefe der durch den medialen Wechsel evozierten Reflexionen über die Deutungspotentiale eines literarischen Textes sowie die Intensität der Diskussion und des Austauschs über eben diese Potentiale im offenen Gespräch mit den Studierenden verweisen für mich auf den Kern dessen, was guten Literaturunterricht ausmacht: ein Unterricht, der bei aller gerechtfertigten Fokussierung auf textanalytische Kompetenzen – ganz im Sinne Kaspar Spinners – auch der ‚Unabschließbarkeit des Sinnbildungsprozesses‘ gerecht wird. Medienverbundgestützte Arrangements – wie das im Rahmen dieser Testung erprobte – können dazu einen wesentlichen Beitrag leisten.“ Christian Kuhls

Diese Aussagen verweisen darauf, dass zumindest bei einigen Lehrenden, die an den Multiplikationsveranstaltungen teilnahmen, ein persönliches Anliegen hinsichtlich einer Weiterführung der Projektergebnisse entstanden ist. Die nachhaltige Weiterführung der im Drittmittelprojekt entwickelten Lehrkonzepte wird auch von der Lehrstuhlleitung angestrebt. Dennoch bleibt mit Blick auf die obigen kritischen Ausführungen des Wissenschaftsrates darauf verwiesen, dass „Transfer und Verbreitung guter Konzepte auch durch mehr personelle Stabilität im Hochschulmanagement zu fördern“ sei (Wissenschaftsrat, 2017, S. 25; i. Orig. hervorg.), damit die gewonnen Erkenntnisse und Konzepte nach Beendigung des Förderprogramms einer „systematischen Sortierung und Bewertung sowie einer strategischen Auswahl unterzogen werden […], um tragfähige Konzepte zu verstetigen, auszubauen und zu verbreiten“ (ebd.). Dies bleibt am Ende des SKILL.de-Projektes ein Zukunftswunsch.

An dieser Stelle werden die hochschuldidaktischen Seminarbausteine und das dazugehörige Selbstlernmodul zur Medienverbunddidaktik als Open Educational Resources angeboten. Sie sollen als Angebot verstanden werden, einen Ausschnitt aus dem Drittmittelprojekt SKILL.de für die eigene Lehre zu nutzen. Die Materialien können jederzeit verändert und in adaptierter Form in der deutschdidaktischen Lehre eingesetzt werden.

Literatur

Buck, B. & Buck, U. (2014). InnerInnovation – Innovationen aus eigenem Anbau. Das Kreativhandbuch für systemisches Innovationsmanagement (1. Aufl.). Wolkersdorf: Literatur-VSM.

Dick, M. (2021). Multimodal – problemlösend – partizipativ. Studierende entwickeln digitale interaktive Unterrichtsbausteine. K:ON – Kölner Online Journal für Lehrer*innenbildung, 4(2), 137–157. https://doi.org/10.18716/ojs/kON/2021.2.7

Dick, M. (i.V.). “Vernetzung statt Addition” – Eine Treatmentstudie in der de-fragmentierenden Deutschlehrerbildung am Beispiel Textverstehen und Aufgabenkonstruktion. Dissertation. Universität Passau.

Gräsel, C. (2010). Stichwort: Transfer und Transferforschung im Bildungsbereich. Zeitschrift für Erziehungswissenschaft, 13(1), 7–20. https://doi.org/10.1007/s11618-010-0109-8

Winkler, I., Gröschner, A., May, M. & Kleinespel, K. (2018). “Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile”. Modellierung inter- und transdisziplinärer Entwicklungsprojekte in der Lehramtsausbildung am Beispiel des Projekts ProfJL. In I. Winkler, A. Gröschner & M. May (Hrsg.), Lehrerbildung in einer Welt der Vielfalt. Befunde und Perspektiven eines Entwicklungsprojekts (S. 7–26). Bad Heilbrunn: Verlag Julius Klinkhardt.

Wissenschaftsrat. (2017). Strategien für die Hochschullehre. Positionspapier. (Drs. 6190-17). Verfügbar hier.