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Einsatz von Tabletops zur Generierung von Gesprächsanlässen im Museum: Vorbereitungen für den Internationalen Museumstag im Museum Quintana Künzing

Hannes Birnkammerer & Roman Weindl

Ein multidimensionales Hobby…

Der deutsche Begriff Tabletop – im englischen Sprachraum meist miniature wargaming – beschreibt ein multidimensionales Hobby rund um das Simulieren von historischen und fiktiven Konflikten mit (Miniatur-)Figuren oder Spielsteinen. Zurückführen lässt sich das moderne Tabletop-Spiel auf militärische Planspiele (wargames oder Kriegsspiele), die ab dem 19. Jahrhundert für die Ausbildung von Offizieren im militärischen Bereich entwickelt wurden und bis heute insbesondere bei den Streitkräften der USA eingesetzt. Als Ursprung dieser serious wargames gilt heute das eponyme Kriegsspiel des preußischen Offiziers Bernhard von Reißwitz aus dem Jahre 1824. Kennzeichnend für diese Art von „Spielen“ ist der Einsatz von speziellen Spieltischen oder Spielplänen und mehr oder weniger abstrakten Spielsteinen, mit der die Spieler:innen die Bewegung von Einheiten darstellen und nachvollziehen können. Bereits seit dem 19. Jahrhundert ist auch der Gebrauch von detaillierten Zinnfiguren belegt (wobei H.G. Wells Litte Wars (1913) fälschlicherweise oft als Ursprung des zivilen Strategiespiels firmiert, vgl. Detering, 2008, S. 89ff.).

“Eine Rekonstruktion des Kriegsspiels von Reiswitz in 1824” von “Matthew Kirschenbaum” unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 via Wikicommons.

Ein weiterer bedeutender Einflussfaktor für die Entwicklung von modernen Tabletops stellt der 1974 vom Kriegsspiel-Strang abzweigende Ast der Rollenspiele dar, die mit der Veröffentlichung von Dungeons & Dragons neue Mechanismen aufbrachten, unter anderem die Einführung fantastischer Elemente, individuelle Spieler:innenfiguren und ein verstärkter narrativer, denn simulatorischer Fokus (Detering, 2008, S. 95; Meriläinen, Sternros & Heljakka, 2020, S. 3). Dieser narrative Fokus stellt ein wichtiges Element des Tabletop-Hobbies dar. Im Tabletop sind die Spieler:innen im Gegensatz zu vielen anderen Spielen nicht nur als Konsumenten, sondern meist auch als Produzenten aktiv. So werden Spielwelten (in Form von Plänen, Karten oder Geländemodellen) entworfen, Figuren, Nationen oder Armeen entworfen und beschrieben und Modelle für die Darstellung dieser Spielwelten und Spielfiguren gesammelt, gebaut und oft bemalt. Das Hobby zeichnet sich als umfassende Erfahrung dabei – wie in einer Studie an 127 finnischen Hobbyist:innen herausgearbeitet werden konnte – durch mehrere gleichberechtigte und individuell unterschiedlich priorisierte Aspekte aus, die oft in Verbindung stehen: Das jeweilige Spiel an sich, Modellbau, Sammeln, Storytelling, das Ausstellen der eigenen Modelle und die damit verbundene Wertschätzung sowie die hobby-bezogene Community und Vernetzung (Meriläinen, Sternros & Heljakka, 2020, S. 7ff.). Kennzeichnend ist also eine ganzheitliche Form der Spielerfahrung, die die Basis für das Erleben von imaginierten (historischen oder fiktiven) Ereignissen bildet. Rolf Schörken hat diese Aktivitäten des Sich-Vorstellens und Sich-Einbeziehens und Übertragens in Bezug auf Geschichte auch unter der Fähigkeit der historischen Imagination subsumiert. Diese imaginativen Fähigkeiten, durch die sich Akteure in eine andere Zeit hineinversetzen können und so tun, „als ob“, bilden laut Schörken die Grundlage für das historische Lernen, da sie vergangene Lebenswelten vorstellbar machen und sie in Beziehung zur Gegenwart setzen (Schörken, 1994, S. 135f.).

…. und mögliche didaktische Einsatzmöglichkeiten im Museum

Für den Einsatz von Tabletops im Museum bietet sich aufgrund der zeitlichen Einschränkung und der notwendigen Fokussierung vor allem die Aspekte des Spiels, des Storytellings und der Ausstellung an. Museale Vermittlungsprozesse weisen beim zweitgenannten Aspekt bereits in Form von Dioramen Verbindungen zum Tabletop-Hobby auf, die darauf abzielen, durch die visuelle Erfahrung und die Faszination die selbstständige Auseinandersetzung und das Lernen anzuregen (Noschka-Roos, Lewalter, 2016, S. 283). In einer ähnlichen Zielstellung werden auch Spiele, bzw. spielbasiertes Lernen, eingesetzt, um die Motivation und Auseinandersetzung der Besucher anzuregen (Ćosović & Brkić, 2019, S. 2).

Eine optisch ansprechende, gestaltete Spielplatte ist oftmals ein zentraler Aspekt des Tabletop-Hobbies. Quelle:
“Saga Dark Ages” von “Christo” unter der Lizenz CC BY-SA 4.0 via Wikicommons.

Geplant ist die Entwicklung eines Tabletops im Museum Quintana – Archäologie in Künzing. Inhaltlich beschäftigt sich das Spiel mit der bedeutendsten archäologischen Entdeckung, die im Museum präsentiert wird, dem Amphitheater von Künzing. Dabei handelt es sich um eine hölzerne Arena aus dem 2. Jh. n. Chr., die sich am Ostrand der das römische Kastell umgebenden Siedlung befand. Die untertägig erhaltenen Überreste des Amphitheaters wurden zusammen mit einem kleinen Teil der ehemaligen römischen Zivilsiedlung von Künzing am 30. Juli 2021 in das UNESCO-Welterbe „Grenzen des Römischen Reiches – Donaulimes (westlicher Abschnitt)“ aufgenommen. Für das Spiel wird die Arena im Maßstab 1:56 nachgebaut. Das Amphitheater-Modell dient dann als Spielfläche für ein Tabletop, bei dem die Spielenden Gladiatoren in der Künzinger Arena befehligen. Die Regeln des Spiels sind dabei bewusst kurz und einfach gehalten. Durch die Spielerfahrung sollen nicht nur auf abstrakter Ebene die unterschiedlichen Eigenschaften verschiedener historisch überlieferte Typen römischer Gladiatoren modelliert, sondern durch das dadurch entstehende Storytelling auch Eigenschaften der Arena von Künzing thematisiert werden. Ziel ist dabei nicht die Abbildung „historischer Wirklichkeit“, sondern das Anknüpfen an verbreitete Stereotypen über die Gladiatur und das römische Reich. Das Spielerlebnis, das durch fachkundiges Personal im Museum moderiert wird, soll Gesprächsanlässe schaffen, die als Ausgangspunkt für die Reflexion und Deutung des Erlebten dienen sollen. Vertieft werden können die im Spiel gemachten Erfahrungen im Anschluss in der Ausstellung des Museums.

Der Einsatz weiterer spielbasierter und moderner Vermittlungsformen im Museum Quintana Künzing, beispielsweise der Einsatz digitalen Storytellings, ist bereits in Arbeit.

Literatur

Ćosović, M. & Brkić, B. R. (2020). Game-Based Learning in Museums—Cultural Heritage Applications. Information, 11(1), 22. https://doi.org/10.3390/info11010022

Detering, S. (2008). Wohnzimmerkriege. Vom Brettspiel zum Computerspiel. LIT. https://doi.org/10.25969/MEDIAREP/1560

Meriläinen, M., Stenros, J. & Heljakka, K. (2020). More Than Wargaming: Exploring the Miniaturing Pastime. Simulation & Gaming, 104687812092905. https://doi.org/10.1177/1046878120929052

Noschka-Roos, A. & Lewalter, D. (2016). Lehren und Lernen im Museum. In M. Walz (Hrsg.), Handbuch Museum (S. 282–286). J.B. Metzler. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05184-4_63

Schörken, R. (1994). Historische Imagination und Geschichtsdidaktik.

Walz, M. (Hrsg.). (2016). Handbuch Museum. J.B. Metzler. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05184-4

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