Literaturunterricht im digitalen Wandel

Literaturunterricht im digitalen Wandel

Warum Medienverbunddidaktik?

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„In den letzten 30 Jahren hat der mediale Wandel die außerschulische literale Praxis der Schülerinnen und Schüler tiefgreifend verändert. Jenseits der klassischen Schriftmedien setzen sich heutige Lernende in ihrer Freizeit mit Messenger-Nachrichten, Videoportalen, digitalen Bildschirmspielen, eBooks, Blogs und anderen Schrift- und Literaturformen vom Comic bis zur Snapchat-Story auseinander […]. In der schulischen Praxis findet dieser Wandel jedoch nur geringen Widerhall, sodass die hiermit einhergehenden vielfältigen Potenziale ungenutzt bleiben.“ 

(Abraham & Kepser, 2019, S. 1)

Im Literaturunterricht ist meist nach wie vor das Buch das vorherrschende Medium, um daran Prozesse des literarischen Lernens zu erarbeiten. Hierzu Standke (2020):

“Aus literatur- und lesedidaktischer Sicht lassen sich durchaus plausible Gründe für diese Textfokussierung des Unterrichts anführen: Bei aller Vielfalt und Attraktivität digitaler Medienangebote ist ihre Spezifik für das literarische Lernen im Unterricht noch nicht hinreichend geklärt. In vielen Unterrichtsanregungen zu einem ‚digitalen‘ Literaturunterricht haben digitale Medien, Apps usw. vor allem instrumentelle Funktion […]. Welche spezifisch ästhetischen Erfahrungen und Bildungschancen digitale Literatur über die didaktischen Potenziale analoger Literatur hinaus bietet, wird oftmals nicht hinreichend geklärt.“

(Standke, 2020, S. 40)

Die Zurückhaltung gegenüber dem schulischen Einsatz digitaler Literatur wird auch damit begründet, dass Literaturadaptionen, wie sie etwa in Medienverbünden zu einer Narration auftreten (z. B. Serie, Comic, Hörspiel zum Buch), häufig weniger qualitätsvoll sind (Kruse, 2014a). Auch wird dem Literaturunterricht die Aufgabe zugesprochen, auch für leseferne Kinder und Jugendliche eine Annäherung an die Buchkultur anzubahnen und zu fördern – gerade wenn dies in vielen Elternhäusern nicht mehr gewährleistet wird. Die schier unendliche Vielfalt an digitalen Formaten könne auch zu Überforderung führen. Daher fordern einige ‘Entnetzung’ statt intermedialer Vernetzung, konzentrierte Arbeit und Fokussierung, statt unsteter und rastloser Social-Media-Aktivität und qualitativ ungesicherter Netzliteratur. (Standke, 2020)

Dennoch ist das Potenzial, welches digitale Formen von Literatur mit sich bringt, nicht zu leugnen (z. B. Boelmann, 2015; Standke, 2020). Es braucht aber – über eine instrumentelle Funktion digitaler Elemente – eine Auseinandersetzung damit, welche spezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten sich durch den Einsatz digitaler literarischer Medien elaborieren lassen (Standke, 2020). Dabei gilt es nicht, das gedruckte Buch zu ‚verdrängen‘; stattdessen erscheint eine Verschränkung von verschiedenen Realisationsformen von Literatur für das medienintegrative literarische Lernen sehr vielversprechend. Hierzu gibt es einige didaktische Ansätze, die auf die besonderen Lernpotenziale hinweisen:

  • Die Konzepte eines Symmedialen Deutschunterrichts nach Frederking (2013) und der Medienkonvergenz nach Weinkauf et al. (2014) fokussieren v. a. die Verschmelzung bzw. das Zusammenspiel verschiedener Medien und neue Bedeutungsebenen, die dadurch entstehen.
  • Das Konzept der Transmedialität nach Kurwinkel & Kumschlies (2019) und der Medienverbunddidaktik nach Kruse (2014a/b, 2020) legen den Fokus eher auf die Kontraste bzw. Relationen zwischen einzelnen Medienrealisationen und sehen hierin ein großes Lernpotenzial.

All diesen Ansätzen gemeinsam ist, dass sie, neben das Buchmedium, multimodale Literatur als gleichwertigen Unterrichtsgegenstand setzen:

Multimodale Literatur: Bezeichnet das komplexe Zusammenspiel unterschiedlicher Symbolsysteme (Bild, Schrift, Ton) bzw. Gestaltungsmittel in einem ‚Text‘, wobei die unterschiedlichen Symbolsysteme nicht hierarchisch geordnet sind. Multimodale Literatur setzt gegenüber schriftsprachlichen Texten andere Produktionsbedingungen voraus und spricht mehrere Rezeptionsmodalitäten zugleich an (Hören, Sehen etc.).“

(Standke, 2020, S. 41)

Hören Sie einen Ausschnitt aus dem Podcast „Multimodal Literacy“: Hierin wird verhandelt, was die Fähigkeit, mit multimodalen Texten konstruktiv umzugehen (Multimodal Literacy), ausmacht und warum sie gerade für (angehende) Lehrkräfte so wichtig ist. Für einen Einblick in diese Diskussion, die hier fächerübergreifend – aus der Perspektive der Deutschdidaktik, der  Literatur-/Mediensemiotik und der Kunstpädagogik – geführt wird, hören Sie bitte die ersten 11 Minuten des Podcasts (bis Min 11:30).

 

Multimodal Literacy – Ein Podcast zur Relevanz des Konzepts für (angehende) Lehrkräfte von Mirjam Dick, Dorothe Knapp, Romina Seefried (2021)

Notieren Sie sich anschließend in eigenen Worten eine kurze Begriffsklärung zu den Konzepten Multimodale Literatur und Multimodal Literacy (je 1-2 Sätze).

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